Besondere Schwierigkeit und Bedeutung?

Kommentar zum Urteil: BAG 22.06.2022 -  4 AZR 495/ 21

Eingruppierung einer Fallmanagerin in einem Jobcenter

Die Klägerin war als Fallmanagerin in einem Jobcenter tätig. Fallmanager*innen betreuen – anders als Arbeitsvermittler*innen – diejenigen Leistungsberechtigten, bei denen bestimmte Vermittlungshemmnisse bestehen, etwa mangelhafte Deutschkenntnisse oder Erkrankungen, die einer Vermittlung entgegenstehen. Ein*e Fallmanager*in hat bei den Leistungsberechtigten zunächst die Vermittlungshindernisse zu identifizieren. Anschließend werden die Leistungsberechtigten mit dem Ziel, die Vermittlungshindernisse zu vermindern oder zu beseitigen, an andere Stellen (etwa eine Schuldnerberatung, eine Suchtberatung oder einen berufspsychologischen Service) verwiesen. Fallmanager*innen schließen in diesem Zusammenhang mit den Leistungsberechtigten sog. Eingliederungsvereinbarungen, deren Einhaltung sie überprüfen, und veranlassen bei Verstößen ggf. Sanktionen. Im Erfolgsfall werden die Leistungsberechtigten an eine*n Arbeitsvermittler*in verwiesen. Anderenfalls erfolgt die Feststellung, dass aktuell keine Erwerbsfähigkeit vorliegt.

630 x 240 EG 5 12

Die Fallmanagerin war der Ansicht, die Feststellung der Gründe für die Leistungshemmnisse rechtfertige Bejahung des Tätigkeitsmerkmals der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung, weil ihre Tätigkeiten sich erheblich von derjenigen einer Arbeitsvermittlerin unterscheiden. Sie benötige soziale, psychologische und kommunikative Fähigkeiten, um mit den Leistungsberechtigten ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen und sie über Zwischenschritte in den Arbeitsmarkt vermitteln zu können. Diese gingen deutlich über diejenigen hinaus, die für die Tätigkeit einer Arbeitsvermittlerin erforderlich seien. Die Bedeutung der auszuübenden Tätigkeit ergebe sich aus deren besonderer sozialpolitischer Tragweite und deren Auswirkungen für die Lebenssituation der einzelnen Leistungsberechtigten.

Die Entscheidung des BAG

Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, denn die Klägerin habe die erforderlichen Tatsachen nicht vorgetragen. Eine Beschreibung der Tätigkeiten sei nicht ausreichend, sondern sie hätte auch darlegen müssen, ob und inwieweit sie über die Merkmale einer Ausgangsentgeltgruppe hinaus auch qualifizierende tarifliche Anforderungen der von ihr begehrten höheren Entgeltgruppe erfüllt. Eine Aufzählung von Tätigkeiten und Kompetenzen allein erlaubt noch keine Rückschlüsse auf ihren Stellenwert in einem aufeinander aufbauenden Eingruppierungsgefüge.

Über die Darstellung der übertragenen Aufgaben hinaus ist ein Vorbringen erforderlich, das erkennen lässt, wodurch sich eine bestimmte Tätigkeit, von der in der Ausgangsfallgruppe bewerteten „Normaltätigkeit“ unterscheidet (Rn.42). Das Bundesarbeitsgericht konnte nicht erkennen, dass eine Fallmanagerin eine deutlich höhere Sozial-, Kommunikations- und Methodenkompetenz im Verhältnis zur Normaltätigkeit einer Arbeitsvermittlerin benötige.

Die Bedeutung lehnte das Bundesarbeitsgericht ab, da die Klägerin im Verhältnis zum Tätigkeitsmerkmal der besonders verantwortungsvollen Tätigkeit keine weiteren Gründe vorgetragen habe. Umstände, die für die Erfüllung einer tariflichen Anforderung einer Aufbaufallgruppe berücksichtigt worden sind – vorliegend das Heraushebungsmerkmal „besonders verantwortungsvoll“– können grundsätzlich nicht noch einmal für die Erfüllung eines Heraushebungsmerkmals einer höheren Aufbaufallgruppe herangezogen werden; sie sind „verbraucht“ (Rn.50).

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(Artikel erstellt am 06.12.2022)

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Die Verfasserin

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RAin Britta Ruiters
Rechtsanwältin und PIW-Trainerin

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